РОСТИСЛАВ ИЩЕНКО: «США ОЖИДАЕТ ТАКТИЧЕСКОЕ ПОРАЖЕНИЕ СО СТРАТЕГИЧЕСКИМИ ПОСЛЕДСТВИЯМИ»
Die ukrainische Armee hat den erbitterten Beschuss der Städte des Donbass erneuert und redet immer öfter über die Erneuerung des totalen Kampfes.
Dennis Tatartschenko 28.08.2015 Übersetzt aus dem russischen: Thomas
Europa und Russland sind von der Vereitelung des Minsker Prozesses ernsthaft beunruhigt, und Kiew setzt fort, die Angriffsgruppierung an den Grenzen mit der LVR und der DVR weiter zu verstärken. Der Experte für die Außen- und Innenpolitik der Ukraine, Rostislaw Ischtschenko, hat dem Portal «die Russische Welt» von der neuen Eskalation des Konfliktes, der Stärke des Einflusses der ukrainischen Nationalisten auf die Annahme einer Lösungen in Kiew, sowie von seiner Prognose zum Abschluss des Konfliktes in der Ukraine erzählt.
– Die ukrainischen Nationalisten setzen fort, unzweideutige Erklärungen zur Möglichkeit einer neuen Revolution zu machen, sie benehmen sich aggressiv auffällig. Dabei entsteht der Eindruck, dass die nächste Verschärfung im Donbass mit dem Wunsch Poroschenkos verbunden ist, ihre Energie irgendwohin etwas weiter von Kiew weg zu richten. Ihre Logik ist äußerst kompliziert zu verstehen. Ob die Nationalisten am politischen Prozess in der Ukraine teilnehmen wollen oder verstehen sie selbst nicht, was sie wollen?
– Unbedingt, ja, sie wollen am politischen Prozess teilnehmen. Und, unbedingt, ja, sie verstehen nicht, was sie wollen. Weil der Außenseiter ein Außenseiter bleibt, unabhängig davon ob er Waffen in Händen hat oder nicht. Ja, sie sind in die Lage gekommen, die Annahme von Wirtschaftsentscheidungen zu beeinflussen, aber dabei sind ihre eigenen Vorstellungen von diesen Wirtschaftsentscheidungen bis zum Extrem vereinfacht und tatsächlich liegen sie eher in der Ebene „wegnehmen und teilen». Das heißt, den Schlechten etwas wegnehmen – es den Guten geben und alles wird in dieser Welt gut sein. Sie sind davon überzeugt, dass das Vorhandensein in den Händen eines automatischen Gewehres von Kalaschnikow den Menschen zum Experten in der Wirtschaft, der Politik, der Diplomatie macht – darin besteht ihr eigentliches Problem.
Aber das ist auch das Problem der herrschenden ukrainischen Macht. In der Ukraine ist ein klassischer staatlicher Umsturz geschehen, bei der eine Gruppe von Oligarchen eine andere Gruppe von Oligarchen verdrängt hat und dabei stützten sich die neuen Oligarchen auf die Nazibewegung. Das heißt, es hat gleichzeitig mit dem staatlichen Umsturz die Nazirevolution angefangen, die bei ihrer logischen Vollendung noch nicht angekommen ist.
Die Nazis wollten die oligarchische Republik durch einen Nazistaat ersetzen und haben die eine oligarchische Republik durch eine andere oligarchische Republik ersetzt. Nur haben sie im Rahmen der letzteren mehr Einfluss, da sie eigentlich eine bewaffnete Stütze der geltenden Regierung sind.
Nicht nur weil sie dort die Masse der Freiwilligenbataillone bilden, sondern auch infolge dessen, weil in den vergangenen anderthalb Jahren ihre massenhafte Infiltration in den Streitkräfte, in den Sonderdiensten, im Innenministerium und so weiter geschehen ist. Im Grunde genommen blieb von den ganzen ungesetzlichen bewaffneten Gruppen nur noch formell der «Rechte Sektor» übrig und selbst der ist jetzt im Begriff, im SBU integriert zu werden. Kann sein, dann bleiben noch irgendwelche 1–2 kleine Einheiten übrig, die noch nicht irgendwelchen bewaffneten Strukturen zugeschrieben wurden. Jedoch hat sich davon ihr Nazicharakter nicht geändert, es hat die Kontrolle der Macht über sie nicht zugenommen, weil sie sich den Kommandeuren im Rahmen der Strukturen unterwerfen.
Im Grunde genommen ist eine Nazifizierung der bewaffneten Strukturen geschehen, was den Nazis noch mehr Einfluß gibt. Ihr Problem besteht nur darin, dass sie keinen Hitler haben, einen für alle, bei ihnen gibt es zu viele Hitler, die sich untereinander auf keine Weise vereinbaren können. Anders hätten sie schon seit langem den folgenden Umsturz verwirklicht und wären zum für sie ersehnten Nazistaat gekommen, für dessen Aufbau es im Rahmen der existierenden oligarchischen Republik keine Aufbaumöglichkeit gibt.
– Es gibt die Meinung, dass Europa daran interessiert ist, dass ein Naziumsturz in der Ukraine … geschehen wird
– Nein, Europa ist daran nicht interessiert. Europa ist an Stabilisierung um jeden Preis interessiert. Deshalb hat Europa die aktive Beteiligung am Minsker Prozess übernommen. Für Europa ist es wichtig, dass in der Ukraine irgendeine Stabilität eingetreten ist, damit dort irgendeine Regierung, unbedeutend welche, herrscht. Es ist nur wichtig, dass sie den ständigen Transit gewährleistet und Europa keine Probleme macht.
– Aber die jetzige ukrainische Regierung ist keine solche …
– Richtig, diese Regierung ist keine solche. Aber Europa versucht, sie zu irgendeinem mehr oder weniger normalen Niveau zu führen. Wofür der Minsker Prozess existiert? Nur um Poroschenko irgendwie zu ermöglichen, sich mit dem Südosten zu vereinbaren, den Grad der Nazifizierung der Regierung zu senken und irgendwelche Kompromissvarianten zu finden. Für Europa ist die Situation in der Ukraine völlig uninteressant, sie nehmen sie auch gern wie zu den Zeiten Janukowytschs, aber ohne Janukowytsch. Welchen Unterschied macht es für Europa, wer stehlen wird: Poroschenko oder Janukowytsch? Für sie ist es ausschließlich wichtig, dass die europäischen Interessen dort geschützt sind.
Das Problem besteht aber darin, dass es den amerikanischen Interessen zuwiderläuft, weil die dieses Durcheinander in der Ukraine ausschließlich begannen, um auf dem ukrainischen Territorium Russland und Europa mit der Stirn gegeneinander zu stoßen. Und da dieses Ziel bis jetzt nicht erreicht ist, so setzen sie fort, ihre Errungenschaft zu bearbeiten. Das heißt, sie unterstützen die Regierung Poroschenko, sie arbeiten hin auf die Errungenschaft des vorliegenden Ziels.
Deshalb vereinbart Europa mit Russland in Minsk eine Stabilisierung und Kiew unter dem Patronat der USA reißt diese Verhandlungen ständig ein. Es ist absolut klar, dass mal angenommen, Obama hätte eine solche Stellung eingenommen wie Merkel und Hollande, so hätten sie schon seit langem von der Linie der Abgrenzung sowohl die Armee weggeführt, als auch die Bewaffnung und die Technik, und sie würden schon seit langem verhandeln. Aber das Problem besteht ja gerade darin, dass die USA daran interessiert sind, dass dieses Regime kämpft. Und hier stimmen bei den USA die Interessen mit den Interessen der Nazis überein, und das ist kein Ausrutscher.
Die USA brauchen auf keinen Fall einen Naziumsturz in der Ukraine, da das zu einer Delegitimierung des Regimes führt. Wenn Poroschenko offen auftretende Nazis unterstützen sollte und würde beginnen, einen Nazistaat aufzubauen, würde Europa schon dieses Regime nicht unterstützen. Außerdem darf man nicht jedes Jahr den Präsidenten stürzen und einen Neuen legitimieren. Es ist überhaupt sehr kompliziert.
Außerdem, wie ich schon gesagt habe, diese Nazis sind nicht strukturiert, das heißt, hier hat jeder praktisch seine eigene Futterbasis. In diesem Fall fängt der Zerfall des ukrainischen Staates einfach an. Einen Staat, auch wenn er schwach ist oder halbzerstört, ist viel einfacher zu kontrollieren, als zwei Zehntel irgendwelcher Republiken, Hetmanate oder ähnliches.
Die USA sind einerseits daran interessiert, dass das Regime Poroschenko erhalten bleibt, und dass andererseits die Nazis, die auch kämpfen wollen, den Druck auf dieses Regime fortsetzen. Deshalb lassen sie nicht zu, die Naziabteilungen zu zerstören aber sie fördern die Infiltration der Kraftstrukturen bis zu einem gewissen Grad, weil dann die nazifizierten bewaffneten Strukturen nicht irgendwelche ungesetzlichen bewaffneten Gruppen werden und dann gemeinsam mit den Militärs auf Poroschenko mit der Forderung drücken können, den Krieg fortzusetzen.
Ich bin mir sicher, wenn Poroschenko ganz frei in der Wahl seiner Handlungen wäre, so hätte er seit langem Frieden geschlossen, weil sein Ziel darin besteht, die Ukraine auszurauben und nicht darin, mit jemandem zu kämpfen. Und dazu sind Frieden und Stabilität nötig. Aber die Regierung Poroschenko ist in der Wahl ihrer Handlungen unfrei, sie wird von den USA vollständig kontrolliert, deshalb löst sie die Aufgabe des Schürens des Krieges. Natürlich, die erfüllt sie schlecht und bisher ist es misslungen, aber hier liegt das Problem nicht in der Unlust sondern im Unvermögen.
– Womit der jetzige Verstoß der Ukraine gegen die Minsker Abkommen verbunden ist?
– Wie ich schon gesagt habe, brauchen die USA den Krieg und die Nazis in der Ukraine auch. Unter diesen Bedingungen kann die Regierung Poroschenko ohne Krieg nicht existieren, weil ihre zwei wichtigsten Stützen – äußere und innere – den Krieg fordern.
– Und Europa?
– Europa spielt hier nicht. Europa möchte zusammen mit Russland spielen. Aber es befindet sich noch mit einem Bein im Regime der Sanktionen mit den USA und das andere versucht, das Terrain für die Vereinbarung mit Russland zu sondieren. So wird sich dort nichts ergeben – man muss eine Wahl treffen. Aber diese Wahl hätte man noch im vorigen Jahr treffen sollen und nicht denken dürfen, man könnte auf beiden Plätzen spielen.
Dazu kommt bei Poroschenko die schreckliche Wirtschaftssituation, das heißt, eigentlich ist die Wirtschaft der Ukraine zerstört. Und die Unterbrechung des Krieges, ruft 1) zur Rückkehr in die Städte zehntausende Menschen mit Waffen herbei, wobei darunter reichlich Nazifizierte sind, die die Fragen vorlegen werden: Was sollen sie weiter tun? Wo sollen sie arbeiten? Wie erhalten sie Bezahlung? Wie sollen sie die wachsenden Tarife bezahlen? Und so weiter. Und, natürlich, es wird die Stabilität des Regimes sprengen, dass heißt, es kann zu jeder Zeit einfach hinweggefegt werden.
2) wird eine jede beliebige Vereinbarung der handelnden Armee wie Verrat bewertet werden. Und es wird auch sehr ernst die Möglichkeit der Organisation des nächsten Umsturzes beeinflussen. Sogar heute noch sagen die ukrainischen Frontkämpfer nicht, dass sie Poroschenko unterstützen, sondern sie fassen ihre Position etwa so zusammen: man müßte eigentlich nach Kiew marschieren, aber wir fürchten, die Stellungen zu verlassen, weil die hier sofort von der russischen Armee eingenommen würden. Deshalb, sobald Poroschenko eine Vereinbarung trifft, muss man die Positionen dann ja doch verlassen. Und sie werden nach Kiew gehen, um Poroschenko zu stürzen.
– Anders ausgedrückt, Poroschenko ist in einer Pattsituation.
– Ja, Poroschenko ist in einer Pattsituation. Weiter besteht die Frage nur darin, wie für jeden gesondert betrachteten Fall Europa auf seine Handlungen reagieren wird. Ob sie irgendeine Provokation für einen genügend überzeugenden Grund halten werden, um bei den Handlungen Poroschenkos ein Auge zuzudrücken, oder ob sie Poroschenko für einen Verletzer von allem halten, was nur möglich sein kann? Nach den Worten von Kerry von vor ein paar Tagen darüber, dass die USA die europäischen Verbündeten mit Mühe zwingen, an ihrer Linie festzuhalten, befindet sich Europa auch am Rande. Und die USA sind nicht davon überzeugt, dass man auf beliebige Handlungen Poroschenkos dort genauso reagieren wird, wie auch früher. Deshalb befinden sich jetzt alle im Zustand der Schwebe.
– Im Falle des Misserfolges werden sich die Staaten bemühen, die Ukraine wie ein durchgefallenes Projekt abzuschreiben?
– Sie haben sie von vornherein abgeschrieben. Die Staaten kamen nicht in die Ukraine, um dort ein stabiles Regime zu schaffen. Wenn man uns, zum Beispiel, sagte, dass man in der Ukraine versuchen wird, ein stabiles antirussisches Regime zu schaffen, entspricht es nicht dem, was die USA tatsächlich unternahmen. Wenn sie das wirklich versucht hätten, so hätten sie, um die Wirtschaft nicht zu zerstören, von vornherein ausreichend Geld bereitgestellt.
– Der Krieg hätte … nicht angefangen
– Es hätte der Krieg nicht angefangen, weil man etwas ruhig hätte vereinbaren können, hätte etwas versprechen können, später wieder rückwärts gehen und so weiter …. Es hätte keine Probleme gegeben. Aber die USA stießen dieses Regime in Richtung der selbstmörderischen Handlungen mit einem einzigen Ziel: um Russland in der Ukraine zu sehen.
Wenn die USA grenzenlos Zeit hätten, könnten sie warten und 10–20 Jahre einfach aussitzen, aber das können sie nicht, weil allein die Tatsache der Organisation der bewaffneten Umstürze und der Bürgerkriege in Libyen, Syrien und in der Ukraine davon zeugen, dass die USA keine ausreichende Zeit dafür haben, um unter den Bedingungen der Systemkrise fortsetzen zu können, auf Zeit zu spielen.
Dabei fordert die Ukraine eine genügend große Menge an Ressourcen, in erster Linie politische Ressourcen. Hier ist sogar das Geld unwichtig. Das Geld für die Ukraine, nehmen wir mal an, ist nicht allzu viel gewesen. Aber es gibt einen großen Aufwand an politischen Ressourcen: wenn vor anderthalb Jahren Europa die USA ohne Einwendung unterstützte, so erkennt jetzt Kerry an, dass die USA die Kontrolle über Europa verlieren. Und für sie ist der Verlust der Kontrolle über Europa dem Tod ähnlich.
Deshalb müssen sie den ukrainischen Platz schließen, wobei sie das eigentlich schon im vorigen Jahr machen wollten, es hat sich aber die Zeit hingezogen. Die große Provokation und den Krieg zum Anzünden der Ukraine zu veranstalten war noch im Herbst-Winter des vorigen Jahres notwendig. Sie haben sich entschieden, noch etwas länger zu spielen, aber jetzt ist die Situation für sie noch schlechter. Die Frage des Anzündens der Ukraine haben sie aber noch immer nicht von der Tagesordnung genommen: sie können nur so von da weggehen, weil wenn sie zu irgendeinem Kompromiss mit Russland kommen, so ist der Kompromiss für sie, egal wie man es dreht, eine Niederlage. Denn immerhin haben sie den Krieg begonnen, als ihnen der Kompromiss angeboten wurde und jede Bewegung zurück bedeutet, dass sie verloren haben.
– Und gibt es ein Drehbuch, daß überhaupt alles berücksichtigt?
– Alle wissen, dass dieser Staat nicht mehr lange existieren wird und alle wissen, dass sein Ende schrecklich sein wird. Einfach jeder der äußeren Spieler versucht dieses Ende so umzuformatieren, dass er möglichst wenig verliert und möglichst viel erwerben kann. Wie sich das bei wem ergeben wird – ist kompliziert zu sagen, es sollte aber auf jeden Fall jemand verlieren. Aber da jede der Hauptstädte ihre eigene Lösung trifft, wie sie darauf selbständig reagieren will, sind keine Chancen für kritische Verluste zu erwarten.
Jetzt geht der Kampf darum: wer wird in dieser Situation mehr und wer wird weniger verlieren. Für die USA ist der Kompromiss eine Anerkennung der Niederlage. Und für Europa ist der Kompromiss mit Russland annehmbar, weil die USA in jedem Fall eine Niederlage erleiden und die EU und Russland als die Friedensstifter auftreten und jeder kann versuchen, das Interesse am folgenden politischen Prozess wiederzugewinnen.
– Ob ein globaler Konflikt wegen der Ukraine möglich ist?
– Die russischen Truppen kamen noch im vorigen Frühling genau deshalb nicht in die Ukraine, weil es eine Garantie für einen gesamteuropäischen Konfliktes war. Ja, die USA konnten außerhalb der Grenzen bleiben, aber dass sich an dieser Sache die EU beteiligt hatte, war in jenem Moment unvergleichlich praktisch. Vom Krieg gegen die USA, unabhängig von der Ukraine, trennt uns jetzt nur das Vorhandensein der Kernwaffen, die fähig sind, die ganze Welt im Laufe von 20 Minuten zu zerstören. Also, und wenn schon nicht die ganze Menschheit, so doch die ganze Zivilisation. Wenn wir jetzt noch so weltweit kämpfen würden wie im Ersten Weltkrieg, dann ginge der Krieg schon seit langem. Und das heißt auch, dass er genau deshalb in so einem Hybridzustand verläuft: ökonomisch, finanziell, informativ … Auf solchen Plätzen wie in der Ukraine und in Syrien, die im Format von Bürgerkriegen geführt werden. Man darf sich nicht direkt streiten. Der direkte Konflikt gewährleistet nur die gegenseitige Vernichtung. Und die USA wollen siegen und nicht sterben.
Invictus maneo!