2016 erreichen die USA den „Point of no Return“

Точка невозврата для США наступит в 2016 году

Das Paradoxon der gegenwärtigen globalen Krise besteht darin, dass in den letzten 5 Jahren alle einigermaßen verantwortlichen und selbständigen Staaten unglaubliche Anstrengungen zur Rettung der Vereinigten Staaten von der ihnen drohenden finanziellen und wirtschaftlichen und militärisch-politischen Katastrophe unternommen haben, wobei sie das im Gegensatz zu den nicht weniger folgenreichen Aktivitäten Washingtons zur Destabilisierung der Weltordnung, die rechtfertigend als Pax Americana („Amerikanischer Frieden“) bezeichnet wird, taten.

1_-_1_11_-5-6ba77-4b52bÜbersetzung   Harald Kulhanek

Weil Politik kein Nullsummenspiel ist, d.h. der Verlust des Einen ist nicht unbedingt der Gewinn eines Anderen ist, hat dieses Paradoxon eine logische Erklärung. Die Krise eines jeden Systems entsteht, wenn seine innere Organisation in Widerspruch zu den verfügbaren Ressourcen gerät (d.h. letztere fangen an, nicht mehr für das normale Funktionieren des Systems in bisheriger Weise auszureichen).

Für diese Situation existieren 3 prinzipielle Lösungsvarianten:
- 1. Reformierung, wenn die innere Organisation des Systems auf evolutionärem Wege in einen Zustand der Übereinstimmung mit den vorhandenen Ressourcen überführt wird;
- 2. Zusammenbruch des Systems, wenn dieses auf revolutionärem Wege geschieht;
- 3. Konservierung, wenn die das System bedrohenden Einwirkungen gewaltsam beseitigt werden und die gegenseitigen Beziehungen innerhalb des Systems hart durchgreifend auf der Basis ungleichberechtigter gegenseitiger Beziehungen (egal, ob zwischen Klassen, Landesteilen, Kasten oder Staaten) konserviert werden.

Die Methode der Konservierung haben das China der Ming- und Qin- und das Japan der Tokugawa-Dynastie versucht. Sie hat bis zum Beginn der kapitalistischen Globalisierung im 19. Jahrhundert funktioniert. Aber beide (im Inneren hinreichend stabile) östliche Zivilisationen hielten der Konfrontation mit der technologisch weiter entwickelten (und dadurch auch in militärisch-politischer Hinsicht mächtigeren) europäischen Zivilisation nicht stand. Japan fand die Antwort in der Modernisierung (Reformierung) noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; China quälte sich ein Jahrhundert lang in den Tiefen halbkolonialer Abhängigkeit und blutiger Bürgerkriege bis die neue kommunistische Elite unter Führung von Deng Xiaoping ihr neues Konzept der modernisierenden Reformen entwickeln konnte.

Dieses Beispiel bringt uns zu folgendem Schluss: Die Konservierung eines Systems ist nur dann möglich, wenn sie gegen jedwede unerwünschte äußere Einwirkungen abgeschirmt ist, d.h. wenn sie die globalisierte Welt unter Kontrolle hält.

Der Widerspruch zwischen der Konzeption des Auswegs aus der Krise , wie sie die amerikanische Elite anwendet und der der alternativen Konzeption, die von Russland mit Unterstützung Chinas, sodann der BRICS-Staaten und jetzt schon eines bedeutenden Teils der Welt vorgeschlagen wird, besteht darin, dass die Politiker in Washington davon ausgingen, dass sie die Möglichkeiten besitzen, die globalisierte Welt vollständig zu kontrollieren und ihre Entwicklung in die für sie benötigte Richtung zu lenken. Deshalb versuchten sie, nachdem sie sich mit der Begrenztheit der materiellen Basis zur Sicherung der Mechanismen ihrer globalen Hegemonie konfrontiert sahen, das Problem durch die gewalttätige Unterdrückung potenzieller Opponenten mit dem Ziel der Umverteilung der globalen Ressourcen zu ihren Gunsten zu lösen. Im Falle des Erfolges hätten die USA die Möglichkeit erhalten, die Erfahrung vom Ende der 80er – Anfang 90er Jahre zu wiederholen, als der Zusammenbruch der UdSSR und des von ihr kontrollierten Systems des Sozialismus es dem Westen ermöglichte, der Krise durch Umverteilung der globalen Ressourcen zu ihren Gunsten zu entkommen. In der neuen Etappe ging es um die Umverteilung der Ressourcen schon nicht mehr zu Gunsten eines kollektiven Westens, sondern ausschließlich zu Gunsten der USA. Der gegebene Verlauf verschaffte dem System eine Frist, die es zur Schaffung eines Regimes der Konservierung nichtgleichberechtigter Beziehungen nutzen konnte, bei denen die bestimmende Kontrolle der amerikanischen Eliten über die militärischen, rohstofflichen, finanziellen und industriellen Ressourcen sie gegen die Gefahr eines Zusammenbruchs des Systems von innen und die Liquidierung alternativer Machtzentren sie gegen den Zusammenbruch von außen absichern, es ewig (zumindest für historisch absehbare Zeiträume) machen würde.

Die alternative Herangehensweise (nennen wir sie provisorisch die russisch-chinesische) ging davon aus, dass die Ressourcen des Systems schneller ausgeschöpft wären, als es den USA gelänge, die Mechanismen zur Konservierung ihrer globalen Hegemonie zu installieren. Das würde seinerseits zur Überdehnung und Überanspannung der Kräfte führen, die den imperialen Druck auf die globalen Peripherien im Interesse des Washingtoner Zentrums gewährleisten und im Weiteren zum unausweichlichen Zusammenbruch des Systems führen.

Vor zweihundert und sogar noch vor hundert Jahren hätten Politiker nach dem Prinzip „Stoße den Fallenden“ gehandelt, und sich auf die Teilung des Erbes eines zerfallenden Imperiums eingestellt. Jedoch hat die Globalisierung nicht nur der Weltindustrie und des Welthandels (wie sie schon zum Ende des 19. Jahrhunderts erreicht war), sondern auch der Weltfinanzen den Zusammenbruch des amerikanischen Imperiums äußerst gefährlich und kostspielig für die ganze Welt gemacht. Grob gesagt, die USA könnten die Zivilisation unter ihren Trümmern begraben.

In diesem Zusammenhang wurde Washington im Rahmen der russisch-chinesischen Herangehensweise dringend eine Kompromissvariante vorgeschlagen, die eine langsame, evolutionäre Erosion der amerikanischen Hegemonie, eine stufenweise Reformierung der internationalen finanzökonomischen und militärpolitischen Beziehungen auf der Grundlage des bestehenden Systems des Völkerrechts vorsieht.

Der amerikanischen Elite wurde eine „weiche Landung“ unter Wahrung eines bedeutenden Teils ihres Einflusses und ihrer Aktiva, jedoch bei allmählicher Anpassung des Systems an die bestehenden Realitäten (seine Überführung in die Übereinstimmung mit der verfügbaren Ressourcenbasis) unter Berücksichtigung der Interessen der Menschheit und nicht ihres „besten Teils“ in Form der „300 Familien“, der tatsächlich Gefahr läuft, sich in nicht mehr als 30 Familien zu verwandeln, angeboten. Schließlich und endlich ist es immer besser, sich zu einigen, als eine neue Welt auf der Asche der alten zu erbauen; um so mehr, als es eine weltweite Erfahrung ähnlicher Vereinbarungen gibt.

Dazu gehört auch die Praxis des Abkaufens eines Betriebes vom Eigentümer bei einer Nationalisierung anstelle einer einfachen Konfiszierung und die russische Praxis, des gesamtnationalen Konsenses im letzten Jahrzehnt, als man die Oligarchen überzeugte (durch gezielte Repression, die man gegenüber den stursten und uneinsichtigsten anwandte), Macht und Einnahmen mit Volk und Staat zu teilen. Mit dem Ergebnis waren natürlich die Radikalen beider Seiten nicht zufrieden, aber dafür ist es gelungen, einen Bürgerkrieg und die Zerstörung der Staatlichkeit zu vermeiden.

Bis an das Jahr 2015 heran war die amerikanische Elite, jedenfalls der Teil von ihr, der die Politik bestimmte, davon überzeugt, dass die verfügbaren finanziellen und wirtschaftlichen und militärisch-politischen Kräfte ausreichen würden, um die gesamte übrige Welt zu knechten und die Hegemonie Washingtons auf der Basis der Vorenthaltung wirklicher politischen Souveränität und jeglicher wirtschaftlichen Rechte aller Völker, einschließlich (in der letzten Phase) des amerikanischen Volkes, endgültig zu konservieren. Ein ernsthafter Partner dafür war ihnen die Eurobürokratie, d.h. der kompradorische, kosmopolitische Teil der Elite der EU, dessen Wohlergehen von der Integration der Strukturen der EU (in denen die These der atlantischen Solidarität zum geopolitischen Dogma wurde) in die transatlantischen (d.h. von den USA kontrollierten) Strukturen und die NATO abhing, im Gegensatz zu den Interessen der Nationalstaaten der Mitglieder der Europäischen Union,.

Jedoch die bedeutend länger als ursprünglich angenommen dauernde ukrainische Krise, der scharfe militärisch-politische Eingriff Russlands in die Regulierung der syrischen Krise [2] (auf die die USA keine adäquate Antwort fanden) und hauptsächlich die fortschreitende Schaffung alternativer Strukturen in Wirtschaft und Finanzen, die die Stellung des Dollars als faktische Weltwährung in Frage stellten [3], führte zur Aktivierung des zum Kompromiss neigenden Teiles der amerikanischen Elite (die im letzten anderthalben Jahrzehnt faktisch vom ernstlichen Einfluss auf strategische Entscheidungen ausgeschlossen war).

Die letzten Erklärungen Kerrys [4] und Obamas [5], die zwischen der Bereitschaft zum gegenseitig annehmbaren Kompromiss in allen Streitfragen (Kiew bekam sogar Anweisungen zur Einhaltung von „Minsk“) bis hin zur Fortsetzung des Konfrontationskurses hin und her schwankten, sind Zeugnis des sich verschärfenden Kampfes im Washingtoner Establishment.

Das Ergebnis dieses Kampfes vorauszusagen ist unmöglich. Zu viele hohe Politiker und einflussreiche Familien haben ihre Zukunft mit der Konservierung der imperialen Dominanz verbunden, als dass die Abkehr von ihr für sie schmerzlos sein könnte.

Auf dem Spiel stehen viele Milliarden schwere Existenzen und ganze politische Dynastien. Jedoch ganz sicher darf man feststellen, dass es für jede politische Entscheidung ein bestimmtes Fenster für ihre Verwirklichung gibt. So ist also das Fenster für die Möglichkeit, die USA weich und kompromisshaft zu landen, dabei sich zu schließen. Die Washingtoner Eliten stoßen auf immer ernstere Probleme als die, mit denen sie es 10-15 Jahre zuvor zu tun hatten. Aber immer noch geht es bisher um eine Landung, vielleicht schon um eine etwas härtere und teurere, aber nicht um eine Katastrophe.

Dennoch müssen die USA schnell denken. Ihre Ressourcen schwinden bedeutend schneller, als die Autoren des Planes der imperialen Konservierung es sich vorgestellt haben. Zum Verlust der Kontrolle über die BRICS-Länder gesellen sich der schleichende, aber hinlänglich schnelle Verlust der Kontrolle über die europäische Politik und der Beginn des geopolitischen Manövrierens der Monarchien des Nahen Ostens. Die von Russland, China und den BRICS-Ländern geschaffenen und forcierten wirtschaftlichen und finanziellen Strukturen entwickeln sich nach ihrer eigenen Logik und Moskau und Peking sind nicht in der Lage, diese in Erwartung des Erscheinens amerikanischer Gesprächsfähigkeit allzu lange zu bremsen.

Irgendwann im Jahre 2016 ist der Umkehrpunkt endgültig verpasst und die amerikanischen Eliten können schon nicht mehr zwischen den Bedingungen des Kompromisses und des Zusammenbruchs wählen. Das Einzige, wozu sie dann noch fähig sein werden, ist, die Tür laut zuzuknallen und zu versuchen, die übrige Welt mit sich in den Abgrund zu reißen. Ein Selbstmord wird ihnen sicherlich gelingen, die Ermordung der Zivilisation jedoch ist selbst mit den verfügbaren amerikanischen Ressourcen nicht so leicht zu bewerkstelligen. Was bleibt aber übrig in 1-2 Jahren?

Rostislav Ischtschenko

 

2 Gedanken zu „2016 erreichen die USA den „Point of no Return“

  1. hzb4711

    Rostislaw,
    ich gratuliere! Kleine Randbemerkung: Das Ende einer Systemstruktur ist nicht dann erreicht, wenn die Ressourcen zu Ende gehen, sondern wenn der VERBRAUCH größer als der ZUFLUSS ist. Denn Gesellschaften sind weitgehend FLIESSGLEICHGEWICHTE, die kurzfristig nur unwesentliche Zuwächse verzeichnen, welche aber sich langfristig in dieser oder jener Richtung akkumulieren.
    Im Kern läuft die gegenwärtige Situation – darin ganz und gar unschuldig, denn man weiß es halt nicht besser – darauf hinaus, dass sich zwei frühe Sozialisationen gegenüber stehen: Gärtner und Jäger.
    Gärtner: die chinesische Gartenbaulandwirtschaft auf Schwemmland der großen Flüsse. Bei Trockenheit musste man Bewässern, gegen tödliche Hochwässer musste man deichen – das alles vor mindestens 5000 Jahren ohne Technik. Daraus hat sich ein fundamental defensiver Gesellschaftstyp entwickelt, die Große Mauer ist dafür Beleg. Bitte bei Wittfogel nachlesen. Aber was jetzt kommt, das ist neu.
    Jäger 1: Die Mongolen/Tartaren haben die Technik der Treibjagd auf große Säugetiere (Hirsche etc.) zu Pferde perfektioniert und sogar schließlich auf den Menschen als Beute angewendet, womit sie das bislang größte Imperium der Geschichte schufen – von beinahe Wien bis beihnahe Tokio. Alles, was dazwischen lag, war tributpflichtig. Die Sache war aber nicht wirklich entwicklungsfähig und hielt nur 300 Jahre. Heute sind Mongolen/Tartaren noch wegen Folklore mit gegorener Stutenmilch interessant …
    Jäger 2: Jagd auf marine Säuger (Kleinwale, Walrösser, Seehunde …) vom stabilen Langboot aus, dann ebenso Anwendung auf den Menschen als Beute. Hier darf man die Wikinger erwähnen, Waräger auch, Normannen. Auch das war keine wirklich stabile Sache, sodass man statt der Überfälle auf Handel per Langboot umgeschaltet hat, was sehr stabil war und im Kern die Marktwirtschaft wenn nicht begründete, aber doch wesentlich ergänzte, ihr einen speziellen Geschmack verlieh, nämlich den des Betrugs und der Gewalt.
    Damit haben wir den historisch-kulturellen Kern des sog. Westens vor uns. Wenn zwei Leute vor einem Problem stehen, dann fragen Ostler, wie sie es zu zweit kooperativ am elegantesten lösen können. Zwei Westler in der gleichen Situation fragen sich innerlich, wie sie die Problemlösung so gestalten, dass sie als Einzelne „gewinnen“ können – was immer das im Einzelnen ist. Es geht jedenfalls zentral um Sieg und Niederlage der Handelnden.
    Diese kulturelle Differenz ist historisch bedingt und jahrtausende alt. Heute tritt sie in idealform hervor – Jäger und Gärtner:
    Die USA reinigen ihren Hinterhof Lateinamerika von fremd-kulturellen Einflüssen und betonieren sich ein (Mauer gegen Mexico); China und Russland rücken näher zusammen bis hin zum Verteidigungsbündnis (to come). Und wenn es nach Kishore Mahbubani ginge, wäre Indien wohl bald mit dabei.
    So ist die globale Lage, und die „weiche Landung“ sollte großzügig, aber mit gewissem Nachdruck gewährt werden, weil wir alle mit drin hängen. Auf jeden Fall müssen die beiden Zivilisationskomponenten zusammenwachsen, weil sie ja auf Gründen fußen, die heute einfach lächerlich sind: Gärtner und Jäger. Denn wir leben heute bis auf wenige Ausnahmen in einer voll industrialisierten und von Tourismus geprägten Welt, die sich zusehends bzgl. der Verkehrs- und Lebensmittel vereinheitlicht. Und wenn wir den Mars besiedeln (das ist in Planung), dann wird dort keine Ostsiedlung einer Westsiedlung gegenüber stehen, sondern es wird, wie bei der ISS im erdnahen Raum, nur _eine_ Station geben. Staatskunst ist gefragt. Übrigens kann man aufgrund der Langlebigkeit des radioaktiven Fallouts nicht darauf bauen, dass sich ein Kernwaffenkrieg auf größere Explosionen und Brände beschränkt. Nein, er ist von QUALITATIV anderem Typus. Leider ist die Zivilisation dann über Jahrhunderte und länger im Eimer.

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